Tausche schwarz-weiße Schlote gegen bunten Räuber

Es ist schon fast ein geflügeltes Wort in der LUDWIGGALERIE: Nach der Eröffnung ist vor der Eröffnung. Sobald eine Schau eröffnet ist, läuft im Hintergrund schon längst die Planung für die nächste. Die Schritte des Umbaus in den Ausstellungsräumen des Haupthauses sind jedes Mal in etwa dieselben. Das muss auch so sein, denn innerhalb von gerade einmal fünf Tagen muss alles an seinem Platz sein. Am Sonntag, dem letzten Tag, treffen sich um 18 Uhr die Kuratorinnen der alten und der neuen Schau sowie eine Auswahl des Teams der LUDWIGGALERIE zum kompletten(!) Abbau der Ausstellung: Abnehmen der Bilder, Leeren der Vitrinen und Herunterbringen der Werke ins Depot. Danach folgt die „Retusche“, also das Verfüllen der Beschädigungen in den Wänden, z.B. durch Nägel und Schrauben.

Die selten gezeigten, originalen Zeichnung des Räuber Hotzenplotz von F.J. Tripp, 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
 

Am nächsten Tag „verteilt“ die Kuratorin der kommenden Ausstellung die Bilder auf unsere drei Etagen, das heißt, die Bilder werden, geschützt von Filzstücken, an die Wände gestellt, wo sie später hängen sollen. Der Hängeplan wird vorher in der Theorie notiert, aber erst in der Praxis zeigt sich, ob der Plan auch aufgeht. Da kann es dann auch mal vorkommen, dass dann eine Kollegin sagt: „Mh, wäre es nicht besser, die Rahmen hier zu vertauschen?“ – „Sollte die Vitrine nicht besser dort stehen, bei den Krabat-Bildern?“ Es folgt eine Arbeitsteilung par excellence im Akkord: Die Vitrinen werden mit farbenfrohem Hotzenplotz-Merch und internationalen Ausgaben bestückt. „Oh, welche Sprache ist das denn? Japanisch?“ – „Das ist ja die Uhr von Torten Torstenson!“ Die Abstände der Bilder werden final ausgemessen und notiert und die Bilder aufgehängt. Beim Schildchenverteilen fällt dann doch noch der ein oder andere kleine Tippfehler auf (hallo Betriebsblindheit!) und durch das Anbringen der Klebebuchstaben und der Saaltexte werden die Exponate anschaulich und sinnvoll ergänzt. Zu guter Letzt wird unter vier geschulten Augen die Beleuchtung eingestellt. Während dieser Ausstellung mussten wir zusätzlich darauf achten, dass bestimmte Werke nicht zu hell beleuchtet sind.

 

In jedem Raum sind Beschriftungen angebracht, die auf die IllustratorInnen hinweisen, 2020 © LUDWIGGALERIE

Buchseiten aus "Hörbe mit dem großen Hut" werden in der Vitrine arrangiert, 2020 © LUDWIGGALERIE

Am Ende ist das Museum wie von der Kleinen Hexe verwandelt: Wo vorher schwarz-weiße Ruhrgebietsfotografien hingen, fliegt nun das kleine Gespenst von Bilderrahmen zu Bilderrahmen. Es sind immer dieselben Räume, doch ist es jedes Mal ein ganz anderes Feeling.

Dreifache Premiere in der LUDWIGGALERIE

„Eine Sensation, eine Weltpremiere“, so kündigt Dr. Christine Vogt, Museumsdirektorin der LUDWIGGALERIE, am Freitagabend die neue Ausstellung im Haupthaus an, „so würde es klingen, stünde ich auf dem Jahrmarkt in Rummelsbach.“ Tatsächlich gibt es gleich drei Premieren am vergangenen Wochenende zu feiern. Zum einen ist das gesamte Werk Otfried Preußlers und dessen Illustratorinnen und Illustratoren, kuratiert von Linda Schmitz-Kleinreesink, so umfassend wie noch nie präsentiert worden. Zum anderen, und das ist den Corona-Gegebenheiten geschuldet, gibt es vor der Eröffnung am Samstag eine Preview am Freitag und: beides unter freiem Himmel. Das gute Wetter lässt dann bei den beiden Events fast schon mediterranes Flair aufkommen.

Museumsdirektorin Dr. Christine Vogt bei ihrer Rede am Freitagabend, 2020 © LUDWIGGALERIE

„Lindas Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass wir nun das gesammelte Werk der Illustrationen zu Preußlers Geschichten zeigen können“, erläutert Dr. Christine Vogt weiter, „was aus kunstwissenschaftlicher Sicht ein wichtiger, herauszustellender Beitrag ist. Wenn ich die Menschen auf der Marktstraße fragen würde: ‘Kennen Sie Otfried Preußler?‘, dann würden das mindestens 90% bejahen, ebenso wenn ich ihnen die Bilder aus den Büchern zeige. Aber wenn ich nach einem Daniel Napp oder einer Petra Probst frage, dann wären diese Namen weniger bekannt. Deshalb ist diese Ausstellung so wichtig!“

Räuber-Alarm!

Am Abend der Eröffnung kann die LUDWIGGALERIE auch noch zwei Ehrengäste begrüßen: zum einen Oberbürgermeister Daniel Schranz als weiteren Redner und, man glaubt es kaum, den Räuber Hotzenplotz! Der Walking Act, gesponsert von der Buchhandlung Zweitbuch, lädt etliche BesucherInnen dazu ein, gemeinsame Selfies zu schießen und sorgt für viele Schmunzler. Nicht zuletzt, weil Hotzenplotz dem Oberbürgermeister ein Räuberdiplom überreichte!

Kuratorin Linda Schmitz-Kleinreesink bei ihrer Rede, 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
 

Die Schöpferin der Ausstellung über die Schöpfer der Geschichten

„Otfried Preußler hat mit seinen Geschichten die Kinder- und Jugendliteratur nachhaltig geprägt“, so Kuratorin Linda Schmitz-Kleinreesink in ihrer Rede zur Eröffnung, „der große Erfolg seiner Geschichten geht aber auch auf die zugehörigen Bilder zurück und damit auf die KünstlerInnen und IllustratorInnen, die diese erschaffen haben. Wenn ich von der kleinen Hexe spreche, dann wissen Sie genau, wie sie aussieht.“ Nach der Beschreibung der Kleinen Hexe wird natürlich auch der dunkelhaarige Räuber erwähnt, der währenddessen erwartungsvoll auf unseren Sitzbänken im Innenhof der Rede lauscht. „Sieben Messer, dunkler Bart, barfuß und der Hut mit angesteckter Feder. Dass wir eben diese Bilder in unserem Kollektivgedächtnis haben, ist den jeweiligen Illustratoren zu verdanken. Und genau diesen Bildern zu Otfried Preußlers umfänglichen Geschichten widmen wir uns nun erstmals in einer musealen Schau mit größter Bandbreite. Sie werden überrascht sein, wie viele unterschiedliche KünstlerInnen am Erfolg der Bücher beteiligt sind und wie facettenreich die Bilder sind, die sie alle geschaffen haben“, und weiter erläutert sie, „eine gute Illustration bildet nicht nur ab, was erzählt wird, sondern eröffnet auch neue Leseebenen, die rein über das Bild zu erfassen sind.“

Die BesucherInnen sind an beiden Abenden sehr begeistert und erinnern sich oft auch an ihre Kindheit zurück: „Ach schau mal, der kleine Wassermann, weißt du noch?“ oder: „Ach diese Geschichte habe ich geliebt und die Bilder dazu, die werde ich nie vergessen.“

Und unter ihnen: die Menschen, die den Figuren Gesicht, Gestalt und Farbe verliehen.. 

Gruppenfoto am Freitag (v.l.): Dr. Christine Vogt, Petra Probst, Dr. Pauline Liesen, Florian Holzing, Christine Holzing, Rosi Vogel, Julian Sonntag, Linda Schmitz-Kleinreesink, 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

Christine Holzing (Witwe von Herbert Holzing), Dr. Pauline Liesen vom Bilderbuchmuseum Troisdorf und Florian Holzing (Sohn von Herbert Holzing), 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

Petra Probst, 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

Rosi Vogel, 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

Julian Sonntag, 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen


Gruppenbild von Samstag (v.l.): Dr. Christine Vogt, Thorsten Saleina, Susanne Preußler-Bitsch, Räuber Hotzenplotz, Petra Probst, Julian Jusim, Silvia und Barbara Lechler, Daniel Napp, Julian Sonntag und Linda Schmitz-Kleinreesink, 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
Susanne Preußler-Bitsch, Tochter von Otfried Preußler, 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
Thorsten Saleina, 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
Daniel Napp, 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

Silvia und Barbara Lechler, Töchter von Karin Lechler, 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
Julian Jusim, 2020 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen






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