Schildkröten, Eier und Berge? Was Bilder von Edgar Ende mit Momo, Jim Knopf und Atréju zu tun haben

 

In der aktuellen Ausstellung Fantastische Reise mit Jim Knopf, Bastian und Momo. Michael Ende – Bilder und Geschichten zeigt die LUDWIGGALERIE nicht nur Illustrationen zu den Büchern des unvergessenen Autors. Ein Bereich ist auch Michael Endes Vater, dem Maler Edgar Ende gewidmet.

In Birgit Dankerts Biografie zu Michael Ende wird angedeutet, dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn nicht immer einfach und von mancherlei Spannungen geprägt ist. Grund dafür scheinen die Umtriebigkeit des jungen Michael Ende, aber auch der Bruch Edgar Endes mit seiner Familie 1953, als er zu seiner Schülerin Lotte Schlegel zieht, zu sein. Dennoch beschäftigt sich Michael Ende mit der Kunst seines Vaters: So zum Beispiel in der Veröffentlichung Der Spiegel im Spiegel, in der er Kurzgeschichten zu den Bildern Edgar Endes schreibt. Doch auch in Michael Endes Literatur lassen sich Bezüge zu dem Werk seines Vaters finden. Im Folgenden sollen diese Motive erläutert werden.

 

Die Schildkröte

Michael Endes Vorliebe für das Tier der Weisheit und Beharrlichkeit ist bereits in einem früheren Blogartikel erläutert worden. In Edgar Endes Die Frau auf der Schildkröte (1933) sitzt eine Frau auf einer Schildkröte, die über die Erdkugel läuft. Womöglich stellt die Schildkröte hier ein Symbol für die Welt und das Unendliche, Immerwährende dar? Ähnliche Anklänge lassen sich bei Michael Endes Uralter Morla finden. Das Tier ist das älteste Geschöpf Phantásiens und scheint alles über das Reich zu wissen. Auch Kassiopeia aus Momo zeichnet sich durch diesen rätselhaften und mystischen Wissensreichtum aus, strahlt jedoch im Gegensatz zur Uralten Morla auch Freundschaft und Hilfsbereitschaft aus. Tranquilla Trampeltreu steht dagegen vor allem für das Moment der Beharrlichkeit.

Das Ei

Ähnlich wie die Schildkröte kann auch das Ei Welt und Unendlichkeit, aber auch Ursprung und Geburt symbolisieren. Bei Edgar Ende wird das Ei als Nest für zwei Nonnen verwendet. Bei Michael Ende dient das Ei ebenfalls als Herberge – dieses Mal für den Alten vom Wandernden Berge. Hier übernimmt das Ei die Aufgabe eines neuen Anfangs – es zerspringt, als Bastian den Namen der Kindlichen Kaiserin ruft, das Reich rettet und den Beginn eines neuen Phantásiens einläutet.

Das Fliegen

Fliegen und Flügel finden sich bei Edgar Ende in den Werken Der geflügelte Berg (1947), Der Vogelmensch (1947,1948), Der gekreuzigte Adler (1933) und einigen mehr. Bei Michael Ende fliegt Atréju auf dem Glücksdrachen Fuchur, Jim Knopf und Lukas funktionieren die Lokomotive Emma zum fliegenden Perpetuum Mobile um. Neben klassischen Assoziationen wie Freiheit und Unbändigkeit scheint die Vermenschlichung von fliegenden Geschöpfen und Wind eine Rolle zu spielen. Edgar Ende verleiht dem Gefesselten Sturm (1965) Tränen und Emotionen und in der Unendlichen Geschichte können die sich streitenden Windriesen als Personifikationen des Sturms gedeutet werden.

Das (Märchen-) Erzählen

Die blinde Märchenerzählerin (1936) von Edgar Ende zeigt das Motiv des Zuhörens und Erzählens. Dies taucht besonders eindrücklich in Michael Endes Momo auf, wo nicht nur Gigi Fremdenführer als Geschichtenerzähler auftritt, sondern Momo selbst die Gabe des Zuhörens besitzt. Doch auch die märchenhaften Gestalten in Phantásien, die in der Welt der Menschen zu Lügen werden, spiegeln das Moment des Erzählens und des Märchens wider.

Der Berg

Das Motiv des Berges ist sowohl in Edgar Endes als auch Michael Endes Œuvre zu finden. Edgar Ende verleiht seinem Geflügelten Berg (1947) wortwörtlich Flügel. In Jim Knopf spielt die Insel mit zwei Bergen eine große Rolle und der Panzer der Uralten Morla ist auch als der riesige Hornberg bekannt. Da die Schildkröte sich niemals fortbewegt, wird der Eindruck einer Vermischung von Tier und leblosem Objekt noch verstärkt. Dies korrespondiert wiederum mit der Personifizierung des Berges mit Flügen bei Edgar Ende.

 

Dies sind nur einige Ähnlichkeiten, die sich zwischen den Werken Edgar Endes und den Geschichten seines Sohnes ausmachen lassen. Wer mehr davon sehen möchte, sollte unbedingt in der Ausstellung Fantastische Reise mit Jim Knopf, Bastian und Momo. Michael Ende – Bilder und Geschichten vorbeischauen – noch bis zum 14. Januar 2024 in der LUDWIGGALERIE!

 

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