Wenn die Kunst auf Baustelle trifft: Museum Under Construction

Teil 1

Kunst und Baustelle? Wie geht das zusammen? Entdeckt es selbst den ganzen Sommer lang in unserem Schlossinnenhof und lest hier schon vorab alles über dieses besondere Open-Air-Kunstprojekt. Viel Spaß mit unserer dreiteiligen Interview-Reihe mit den Kuratorinnen Nina Dunkmann, Jenny Liß und Linda Schmitz-Kleinreesink.

 

Abb. Die Kuratorinnen (v.l.n.r.): Jennifer Liß, Nina Dunkmann und Linda Schmitz-Kleinreesink vor dem Ausstellungsplakat von Museum Under Construction, © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

Nathalie Schraven: Wie ist die Idee zur Kunstbaustelle entstanden?

Linda Schmitz-Kleinreesink: Als feststand, dass unser Museum wegen Sanierungsmaßnahmen für einen längeren Zeitraum geschlossen ist, haben wir uns entschlossen, den Sommer zu nutzen, um Oberhausen und der Region weiterhin Kunstgenuss zu bieten. Wir haben dann unseren schon lang gehegten Plan, den Innenhof zu beleben, endlich in die Tat umgesetzt!

Jennifer Liß: Den Innenhof zu bespielen, ist natürlich einladend für unsere kunstinteressierten BesucherInnen. Aber auch für ein Publikum, das sonst eher selten ein Museum besucht.

Abb. Logo PriseSalz Crew © PriseSalz Crew

NaS: Die Bespielung des Schlossinnenhofes erfolgt durch die PriseSalz Crew. Wer steckt hinter dieser Crew und wodurch zeichnet sich ihre Arbeit aus?

LSK: Die PriseSalz Crew besteht aus vielen KünstlerInnen, die sehr gut darin sind, Räume zu bespielen und großformatig sowie ortsspezifisch zu arbeiten. Unsere AnsprechpartnerInnen sind dabei Aaron.St und Ursula Meyer.

Nina Dunkmann: Die Crew beschäftigt sich viel mit Street Art, Festivals und Bühnenbau – auch im soziokulturellen Bereich. Uns ist es wichtig, nicht nur eine Installation einzukaufen, sondern es nahbar und lebendig zu halten.

JL: Da ist es noch mal interessant, dass die PriseSalz Crew nicht nur die Installation aufstellt, sondern auch an den DJ-Abenden bis hin zum Catering mit auftaucht. Sie ist also in vielerlei Hinsicht gestalterisch motiviert. Es wird auf jeden Fall sehr viel zu entdecken geben, auch wenn man an die Gestaltung der Hütten denkt, die auf dem Innenhof stehen werden.

ND: Da steckt eine komplette Ideologie hinter und – deshalb sagen wir auch, dass der Innenhof zum Kunstwerk wird – das erweitert den klassischen Kunstbegriff. Weg von gerahmten Gemälden hin zu Urban Gardening, Street Art und Musik – da sind unterschiedliche Talente vereinigt.

Abb. Atmosphäre © PriseSalz Crew

NaS: Der Ruhrgebiets-Künstler Aaron.St ist Teil der PriseSalz Crew. Welche Bedeutung hat dieser regionale Bezug für die Kunstbaustelle und für die LUDWIGGALERIE?

ND: Die regionale Szene ist meist darüber vertreten, dass es für sie im Kleinen Schloss Ausstellungen gibt. Ich habe aber schon häufiger mit regionalen KünstlerInnen gearbeitet, die im klassischen Ausstellungskontext gar nicht darstellbar sind. Jetzt bieten wir ihnen für ihre Kunst den Innenhof als Bühne.

LSK: Wir haben auch immer wieder Strukturwandel-Ausstellungen gezeigt, die viel vom Kohlenpott und einem durch Nostalgie verklärtem Bild desselben berichteten. Heute aber wird der Pott von einer anderen Generation geformt. Viele der ehemaligen Industriebrachen sind nun Festivalplätze oder Kulturorte. Genau das sieht man an den Arbeiten der PriseSalz Crew sehr gut – dass sie mit dem Raum noch mal ganz anders umgeht.

ND: Ich glaube auch, dass sie sich von diesem sehr konstruierten Ruhrgebietsbezug – wie es ihn vielleicht in den 90ern gab – freigemacht haben. Das ist eine andere Generation, die sich ganz natürlich durch diese Räume bewegt und für die das verstaubte Kohlenpott-Image keine Rolle mehr spielt. Sie betrachten den Ort als eine möglichst hippe Region, in der sie arbeiten und deren Vorzüge sie nutzen.

Abb. Wunschmaschine © Aaron.St, PriseSalz Crew

NaS: Neben dem wechselnden Programm habt ihr auch zwei feste Installationen. Die großflächigen Formate von Ursula Meyer und die Wunschmaschine in Form einer Murmelbahn von Aaron.St. Was steckt hinter diesen Kunstwerken? Warum habt ihr diese zwei ausgewählt?

LSK: Im Außenbereich ist klar, dass wir schon allein aufgrund der Größe eine Installation brauchen. Wir haben gesehen, dass die PriseSalz Crew da super erfahren und innovativ ist. Dann fanden wir die Idee einer Wunschmaschine von Aaron überzeugend. Vor dem Hintergrund, dass man nach den Corona-Beschränkungen endlich wieder Kunst genießen kann, bietet das Werk einen schönen Anknüpfungspunkt: Man kann sich mit seinen persönlichen Wünschen, Gedanken und Hoffnungen beschäftigen. Da wir in unserem Museum regelmäßig Bilder ausstellen, wollten wir auch diesem Aspekt seinen Raum geben, sodass die Idee, eine großformatige Malerei von Ursula Meyer an der Fassade anzubringen sehr überzeugend ist.

ND: Das zeigt auch wieder die Bandbreite, die Kunst entfalten kann. Die Wunschmaschine ist partizipativ. Man wirft eine Murmel hinein und löst die Maschine aus. Das Werk verändert sich bei Dunkelheit, es hat Licht und bewegliche Elemente. Es lohnt sich also, immer wieder zu kommen. Ursula malt auch für den öffentlichen Raum. Es ist nicht ihr Hauptanliegen, Leinwände zu gestalten, sondern sie arbeitet eigentlich immer ortsspezifisch. Deswegen ist es für uns sehr spannend, sie am Schloss etwas entwickeln zu sehen. Wir sind gespannt, wie es am Ende aussieht.

LSK: Das ist vielleicht für uns als Kuratorinnen eine der größten Herausforderungen. Dass wir nicht wie sonst üblich vorher etwas auswählen, sondern „nur“ die KünstlerInnen bestimmen konnten, aber nicht das Werk.

Abb. Wham, 2020 © Ursula Meyer, PriseSalz Crew, Foto Andrea Kiesendahl


Autorin: Nathalie Schraven

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