Tabula rasa – vom weißen Blatt zum Katalog

 Von Kuratorin Linda Schmitz-Kleinreesink

„Die Druckermaschine muss regelmäßig so laut piepsen, das hat was mit der Sicherheit zu tun. Stell dir mal vor, da fällt einer zwischen, den hörst du nicht, wenn er schreit!“, so erklärt Thilo Kaiser, Inhaber der Druckerei Basis-Druck in Duisburg  eines der vielen Geräusche, das die gigantische Maschine macht. Wir stehen vor einer mehrteiligen und meterlangen Druckermaschine und sind, wie an diesem Tage mehrfach, mal wieder tief beeindruckt, welch komplexe Prozesse rein mechanisch ablaufen können. Von einem dicken Stapel wird das Papier heruntergezogen und läuft über mehrere Rollen mit roter, blauer, gelber und schwarzer Farbe. „CMYK“ sagen sie dazu, aber dazu später mehr. Am Ende steht der Drucker (hierbei handelt es sich um die Berufsbezeichnung für einen Menschen und nicht um eine Maschine!) und zieht einen der großen Druckbögen heraus. „Aah, hier muss noch ‘ne Nuance Gelb weg, aber nur eine Nuance! Seht ihr das?“ Karo und ich schauen uns an. Trotz geschultem Auge gebe ich zu: „Nee, sehen wir nicht so richtig…“ Der Drucker legt die Vergleichsabbildung daneben „Da schaut mal, wenn man die helle Stelle dort vergleicht, dann sieht man es!“ AAH! Jetzt sehen auch wir es.

Farbabgleichung mit den sogenannten "Proofs", 2020 © LUDWIGGALERIE

Linda und Thilo Kaiser prüfen, ob die Drucke mit den "Proofs" übereinstimmen, 2020 © LUDWIGGALERIE

Bis wir vor diesem fertigen Druckbogen stehen konnten, war es ein weiter Weg. Vom weißen Blatt, hin zum gedruckten Katalog. Ich habe jetzt schon die ersten Zeilen unter die Überschrift, die ich mir gerade überlegt habe, getippt und habe den ersten Schritt geschafft. Ein neuer Text entsteht, ein neues Projekt nimmt Formen außerhalb meines Kopfes an. Genauso ist es auch mit den Katalogtexten. Man recherchiert, man liest, man überlegt, man recherchiert wieder, findet KünstlerInnen, sucht LeihgeberInnen und irgendwann stehen alle Leihgaben für eine Ausstellung fest – dann muss der passende Text dazu entstehen. Für „Otfried Preußler“ ist relativ schnell klar: Ich brauche einen Aufsatz, der Preußlers Gesamtwerk erfasst und dabei einen Fokus auf die IllustratorInnen und damit auf die Bilder zu seinen Geschichten legt. Wenigstens dafür konnte ich den Corona-Lockdown nutzen: ohne Ablenkung gänzlich fokussiert schreiben.

Illustrationen von F. J. Tripp, Mathias Weber, Herbert Holzing, Winnie Gebhardt (VG Bild-Kunst, Bonn 2020) zu Otfried Preußler © Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH, Stuttgart

Dabei entdecke ich eine Dissertation über F. J. Tripp, aus dessen Feder die prägnante Figur des Räuber Hotzenplotz stammt. Mirijam Steinhauser hat sich ausgiebig mit ihm beschäftigt, sodass ich sie kurzerhand kontaktierte und erfreulicherweise als Autorin für unseren Katalog gewinnen konnte. Eine Expertin für Herbert Holzing, der die holzschnittartigen Tuschezeichnungen für den berühmten Jugendroman „Krabat“ angefertigt hat, finden wir im Bilderbuchmuseum der Stadt Troisdorf, wo sich auch der Nachlass des Künstlers befindet. Dr. Pauline Liesen ist sofort begeistert von einer Kooperation zwischen unseren beiden Häusern und verfasst einen erhellenden Artikel über Holzing, der auch in unserem Katalog erscheinen wird. Außerdem wird eine konzentrierte Auswahl der Ausstellung im Anschluss im Bilderbuchmuseum gezeigt. Nachdem unsere Direktorin Dr. Christine Vogt feststellt, dass die Preußler-IllustratorInnen nahezu gar nicht wissenschaftlich bearbeitet wurden, entschließt sie sich dazu, einen ausführlichen Artikel über Winnie Gebhardt zu verfassen. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Bildschöpferin vom kleinen Wassermann und der kleinen Hexe.

Illustration von Winnie Gebhardt aus Otfried Preußler, Die kleine Hexe © by Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH, Stuttgart, VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Wenn alle Texte geschrieben sind, starten wir in das aufwändige Lektorieren, an dem viele sehr akribische und unermüdliche Kolleginnen beteiligt sind. Sie entdecken inhaltliche Fehler, verbessern Formulierungen, kürzen Endlossätze und finden so auch noch kuriose Tippfehler oder doppelte Leerzeichen. Für diesen Schritt bin ich immer besonders dankbar, denn im eigenen Text sieht man ab einem bestimmten Zeitraum gar nichts mehr!

Danach schicken wir alle Texte zu unserem Gestalter Uwe Eichholz, den wir in der Zwischenzeit immer wieder mit druckfähigen Bilddaten versorgen. Denn wo viel Text ist, brauchen wir auch viel Bild! Uwe Eichholz setzt diese vielen Textseiten mit etlichen Abbildungen in eine sinnvolle und auch sehr bunte Einheit zusammen. Wir mailen tagelang hin und her: „Kannst du das noch mal darüber schieben?“,  „Das Bild müsste auf die linke Seite und das andere nach rechts.“, „Oh da hat sich noch ein Fehler eingeschlichen.“, „Ach setz doch dahinten noch mal eine kleine Abbildung hin.“, „Ach mach doch noch mal einen Vorschlag.“

Dann erstellt Uwe die Proofbögen. Dafür setzt er alle Bilder, die im Katalog abgedruckt werden in ein Dokument und schickt es an die Druckerei. Diese bringen dann die ausgedruckten Bögen bei uns vorbei, sodass wir alle Bilder begutachten und auf ihre farbliche Korrektheit prüfen können. Wir sind auf den ersten Blick zufrieden „Na das sieht doch schon mal sehr gut aus“, urteilt unsere Direktorin „wobei, diese Kanten hier müssen weg.“ Eine Kollegin fragt: „War dieses Bild hier im Original nicht heller?“ Manche Abbildungen müssen also nachgebessert werden, andere sind schon perfekt und für den Druck geeignet. Wobei Thilo Kaiser noch eine wichtige Sache anmerkt: „Ihr müsst immer bedenken, das hier ist kein Normlicht!“ Er hält eine kleine Karte unter unsere Lampe, die eigentlich durchweg denselben Grünton anzeigen müsste. Bei uns schimmert sie abwechselnd hell und dunkel. „Kein Problem, das prüfen wir sowieso bei uns in der Druckerei.“ 

Und genau an diesem Ort geht es im zweiten Teil des Blogartikels weiter...

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Oberhausen im Ruhrgebiet – Die Geschichte einer außergewöhnlichen Ruhrstadt

10 Fragen an Satomi Edo

„Risse im Stein“ - Ein Interview mit Lisa Kleinholz