5 Fragen an Moritz Stetter

Comics gehören zur LUDWIGGALERIE wie die Farbe Rosa zur Schlossfassade. In der neuesten Ausstellung „UNVERÖFFENTLICHT – Die Comicszene packt aus! Strips and Stories – von Wilhelm Busch bis Flix“ begibt man sich auf eine Entdeckungsreise von den Anfängen des Comics bis zu den aktuellsten und brandheißen Entwicklungen der deutschsprachigen Comicwelt.

 

In unserer neuen Interview-Serie zur Ausstellung möchten wir euch einen Einblick in die Gedankenwelt der gezeigten ComiczeichnerInnen geben. Mit „5 Fragen – 5 KünstlerInnen“ nehmen wir kurz und knackig die wichtigsten Themen ins Blickfeld. Dafür heißen wir in der ersten Ausgabe Moritz Stetter herzlich willkommen. Er ist Comickünstler, Illustrator und Porträtzeichner und lebt und arbeitet in Hamburg.

 

Abb. Moritz Stetter vor seinen Werken in der Ausstellung, 2021 © Moritz Stetter

 

Mit seinen ersten beiden Comic-Biografien Bonhoeffer (2010) und Luther (2013) erarbeitete Moritz Stetter sich einen Namen in der Comicszene. Seine Werke wurden bereits in zahlreichen Ausstellung, u.a. in Frankfurt, Hamburg, Lissabon und Rom gezeigt. Jetzt gibt es einige seiner (bis jetzt!) unveröffentlichten Werke in der LUDWIGGALERIE zu sehen.

 

Nathalie Schraven: Was sind ihre persönlichen Favoriten in „UNVERÖFFENTLICHT – Die Comicszene packt aus!“?  

 

Moritz Stetter: Am meisten beeindruckt haben mich die Originale von e.o.plauen und Wilhelm Busch. Gemeinsam mit diesen Namen in einer Ausstellung vertreten zu sein, fühlt sich schon sehr surreal an! Ähnlich verhält es sich mit meinem Kindheitshelden Brösel. Dass er in "Die große Verarsche" seine Pauschalurlaub-Spießerseite auspackt, war für mich das inhaltliche Highlight der Ausstellung. In Adrian vom Baurs Projekt "Die Anstalt" durfte ich vor etlichen Jahren bereits einen Blick werfen, eine beeindruckende Arbeit. Sehr schade, dass er sie abgebrochen hat. Julia Bernhard zeigt sich in ihrer Bachelorarbeit von einer völlig anderen Seite, das war die größte stilistische Überraschung der Ausstellung für mich. Über "Hitler im Ersten Weltkrieg" von Matthias Schultheiss hörte ich über die Jahre in der Comicszene immer mal wieder Gerüchte und Geschichten. Spannend, jetzt Originale dieses waghalsigen Projekts aus der Wild West-Zeit deutscher Comicproduktion zu sehen.


Abb. Moritz Stetter, Nachbarn, 2018/2019, Tusche auf Papier, digital koloriert © Moritz Stetter

 

NaS: Sie sind unter anderem durch Ihre Comic-Biografien „Bonhoeffer“ und „Luther“ bekannt geworden. Welche Schwierigkeiten ergeben sich bei der Darstellung und Aufarbeitung der Geschichte bekannter historischer Personen? 

 

MS: Die größte Herausforderung ist einerseits, den Menschen im Kontext seiner Zeit zu begreifen. Die Brille heutiger Weltanschauung, moralischer Vorstellung auch mal abzunehmen. Gleichzeitig reizt mich bei historischen Themen aber immer die Spiegelung ins Jetzt: Wie ist dieses Thema heute noch relevant? Welche Parallelen werden sichtbar? Ansonsten bin ich ein Freund akribischer Recherche und entgegen dem Trend in Filmen und Büchern skeptisch, was allzu große Freiheiten in der Fiktionalisierung / Literarisierung historischer Persönlichkeiten angeht. Das Leben hat nun mal keinen immer schlüssigen Spannungsbogen. Und den Punk-Beethoven oder Luther als Actionheld darf jemand anderes zeichnen.

 

Abb. Moritz Stetter, Weil jeder woanders herkommt und woanders hingeht, 2013-2017, Tusche auf Papier, Graustufen digital koloriert © Moritz Stetter

NaS: Ihre Geschichten zeichnen sich mitunter durch Figuren mit anthropomorphen Zügen aus. Wann und wie haben Sie zu Ihrem eigenen Stil gefunden und wie schwer war für Sie diese „Reise zu sich selbst“? 

MS: Der Eindruck trügt vielleicht etwas durch die beiden Beiträge in der Ausstellung. Anthropomorphe Figuren sind eine Frühprägung, die ich manchmal in freien Projekten auslebe: zu viele Entenhausengeschichten in Kindertagen, Erwachsenenversionen wie "Inspector Canardo" oder "Fritz the Cat" in frühen Jugendjahren.

Anfangs kuckt man sich ganz viel ab, schnappt auf, baut ein, kopiert, wandelt ab - mal mehr, mal weniger bewusst. Wenn man das lange genug macht, bildet sich die eigene Handschrift ganz von selbst aus. Es lohnt sich nicht, allzu bewusst an die Stilfindung heranzugehen. Das verkrampft nur.


NaS: Was sind Ihre nächsten Projekte? 

MS: Zwei große Projekte sind noch nicht wirklich spruchreif. Eines geht in die biografische Richtung, das andere in eine medizinische Sachbuch-Richtung. Ansonsten habe ich gerade für die Akademie der Wissenschaften Hamburg eine Comicseite zur "Philosophie der Quantengravitation" gezeichnet. Diese Science-Comics mit Kolleg*innen wie Birgit Weyhe oder Simon Schwartz gibt es ab sofort online zu lesen unter https://www.awhamburg.de/wissenschaftscomics.html

NaS: Was würden Sie jemanden raten, der heute ComiczeichnerIn werden möchte? 

MS: Frage dich: Gibt es IRGENDETWAS anderes, das mich beruflich erfüllen könnte? Wenn du diese Frage mit Nein beantworten musst - und nur dann: Mach es! Es wird steinig, aber auch unglaublich erfüllend sein.

UNVERÖFFENTLICHT – Die Comicszene packt aus! Strips and Stories von Wilhelm Busch bis Flix ist noch bis zum 16. Januar 2022 zu sehen. 

 

Autorin: Nathalie Schraven

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