5 Fragen an Thilo Krapp

Thilo Krapp spricht mit uns über seinen Weg zum Comiczeichner, die Recherche und den nächsten Literaturklassiker, den er adaptieren wird. In seinem Portfolio finden sich die preisgekrönte Graphic-Novel-Adaption von H. G. Wells’ „Der Krieg der Welten”, Illustrationen für „Die drei ???” oder auch Lernkrimis wie „The Kiss of Death” wieder. Besonders bekannt ist er auch für seinen Abenteuercomic „Damian & Alexander”, der von den Erlebnissen des gleichnamigen Liebespaares handelt. Seine Entwürfe um eine mögliche Fortsetzung sind Teil der Ausstellung „UNVERÖFFENTLICHT – Die Comicszene packt aus! Strips and Stories – von Wilhelm Busch bis Flix” und geben uns Hinweise, wie die Geschichte der beiden weitergehen könnte.

  

Abb. Thilo Krapp © Jens Feierabend

Nathalie Schraven: Wie und warum sind Sie Comiczeichner geworden?

Thilo Krapp: Ich war es eigentlich schon immer, das Medium hat mich nur erst finden müssen. Ich denke, das war so im Alter von 56 Jahren, als ich einen Comic das erste Mal von vorne bis hinten durchgelesen habe und völlig fasziniert war. Ich kann mich sogar noch erinnern, was für einen und worin er abgedruckt war: Es muss eine der Serien in „Fix & Foxi“ gewesen sein.

NaS: Welche KünstlerInnen oder AutorInnen haben Sie besonders beeinflusst?

TK: Eine meiner frühesten und nachhaltigsten Prägungen habe ich durch den Autor Raoul Cauvin erhalten, der mit dem Zeichner Arthur Berckmans - kurz „Berck“ die Serie „Sammy“ erschaffen hat, neben vielem anderen, das er schrieb. Beides, die Erzählung Cauvins und die kongenialen Zeichnungen Berckmans, haben mich tief beeindruckt. Dann sind es natürlich die großen frankobelgischen Serien wie „Asterix“ und „Lucky Luke“, die mich dauerhaft begleitet haben (sowie eine geraume Zeit die holländische Serie „Franka“ von Henk Kuijpers). Aber natürlich hatte ich auch meine „Moebius“-Phase, meine Bastien Vivès-Phase, und bewundere viele alte und neue Zeichner wie zum Beispiel Thomas Campi oder Oriol Hernandez. Die Liste ist endlos.

 


Abb. Thilo Krapp, Damian und Alexander, 2008 © Thilo Krapp

 

NaS: Sie arbeiten zur Zeit an einem echten Klassiker: „20.000 Meilen unter dem Meer“ von Jules Verne. Können Sie uns darüber etwas erzählen?

TK: Aber natürlich! „20.000 Meilen unter dem Meer“ fasziniert mich, seitdem ich das Buch mal als Adventsgeschenk als Kind bekam. Es war eine Ausgabe, in der man so richtig in der Geschichte und den Bildern dazu versinken konnte. Dieses Erlebnis wollte ich im Comic für mich wiederholen! Und so habe ich mich gefragt, was ich als Nächstes tun wollte, nachdem ich „Krieg der Welten“ adaptiert hatte (zunächst bei Egmont, jetzt im Carlsen Verlag in einer neuen farbigen Ausgabe erschienen). Es war klar: Wenn ich wieder einen Klassiker aus demselben Genre umsetze, dann muss es „20.000 Meilen unter dem Meer“ sein, weil es für mich der nächste große Klassiker der Science-Fiction-Literatur ist.

 

Für einen Illustrator ist es ein Leckerbissen, diesen Stoff anzugehen. Ich habe mir natürlich viele Gedanken gemacht, wie ich die „Nautilus“, Kapitän Nemos Unterseeboot, gestalte und da meinen eigenen neuen Ansatz gefunden, was ja eine der größeren Herausforderungen bei einer Adaption dieses Buches ist. Zusätzlich habe ich viel Wert auf das Spiel der Figuren miteinander gelegt, denn Vernes Buch ist ein veritables Buch über die Freundschaft: wie hält man es aus, von einem Terroristen wie Nemo entführt zu werden, eine unterschiedliche Einstellung dazu zu haben und darüber nicht die Freundschaft zerbrechen zu lassen? Denn genau in dieser Situation sind ja Arronax, Conseil und der Harpunier Ned Land, die mit Nemo diese unterseeische Weltreise machen. Außerdem habe ich einige ökologische Aspekte an dem Stoff aufgegriffen, die bei Verne schon anklingen ich betone sie allerdings hier und da stärker.

 


Abb. Thilo Krapp, Damian und Alexander, 2008 © Thilo Krapp

 

NaS: In den Werken „Die Lichter von Paris: Émilie auf der Weltausstellung“ und „Émile in Berlin: Mäusejagd im Warenhaus“ zeigen Sie eine große Liebe zum Detail für Stadtansichten und nostalgische Architektur. Wie gehen Sie bei Ihrer Recherche vor?

 

TK: Ich liebe Recherche, daher scheue ich den Aufwand auch nicht, und der geht in verschiedene Richtungen. Einerseits mag es die Bildersuche im Internet geben, die bei einem Thema wie der Weltausstellung in Paris 1900 auch viele Treffer erzielt. Aber dann hat man diese wunderbaren Vorlagen für die tollen Attraktionen auf der Ausstellung   und muss sie erstmal richtig zuordnen, bevor man weiß, ob man sie in der Geschichte, die man sich ausdenken will, verwenden kann und wie. Es ist ja ein reales historisches Thema, und da muss jeder Fakt verifizierbar sein. Also liest man zusätzlich noch viele Bücher, Artikel und alte (oder neue) Aufsätze zu dem Thema (in denen die Bilder dann zum Teil abermals und oft in besserer Qualität vorkommen, sowie mit Infos). Im Falle von „Émile in Berlin“, das ja im ebenfalls tatsächlich existiert habenden Warenhaus Wertheim in Berlin 1904 spielt, hatte ich das große, große Glück, eine Doktorarbeit zu den Bauten des Wertheimkonzerns vorliegen zu haben, die auch toll bebildert war und vor allem auch Angaben machte, welcher Raum im Warenhaus wann, wo und in welchem Zustand existierte. Diese Waren- und Kaufhäuser wurden ja ständig umgebaut meine Geschichte spielt aber im Dezember 1904, zu einer festen Zeit an einem festen Ort. Dabei half mir dieses Buch sehr, zumal es auch Beschreibungen der Farben gab, die die Objekte und Materialien im Warenhaus hatten bei überwiegend Schwarz-Weiß-Fotos, die aus dieser Zeit existieren, sehr wertvolle Informationen für ein in Farbe zu illustrierendes Kinderbuch.

Auch bei „20.000 Meilen unter dem Meer“ habe ich sehr viel recherchiert, zum Beispiel zu Stahl- und Eisenarchitektur des 19. Jahrhunderts, sowie Jugendstil-Interieurs, da ich diesen fließenden, an Wasser- und Naturformen orientierten Stil für die Innenausstattung der „Nautilus“ für eine schöne Idee hielt.

 

NaS: Was würden Sie jemanden raten, der heute ComiczeichnerIn werden möchte? 


TK: Dass er sich auf das verlässt, was in in diesem Beruf interessiert. Es ist ja ein sehr aufwändiger Beruf, und meines Erachtens nach kommt es drauf an, dass man sich auf sein Gefühl verlässt, was für Geschichten und in welchem Stil sie einen faszinieren, damit man es schafft, die Werke, an denen man arbeitet, zu zeichnen. Für‘s Zweifeln an der eigenen Präferenz lässt dieser Beruf schlichtweg keine Zeit, denke ich. Natürlich sollte man sich erlauben, rechts und links zu schauen und Ausflüge in andere Genres – oder besser: Geschichten-Welten – mal auszuprobieren. Aber beim Comic-Zeichnen ist es anders als beim „normalen“ Illustrieren (das man zusätzlich aber auch pflegen sollte): Wofür man sich entschieden hat, zu zeichnen, daraus kommt man erstmal eine ganze Weile nicht mehr heraus, – einfach, weil es so viel zu zeichnen ist. Es dauert schlichtweg. Daher kommt es darauf an, ob man wirklich genau das zeichnen will, was man sich vorgenommen hat oder ob es zumindest innerhalb des eigenen Geschmacks liegt und sich in der Welt bewegt, die man liebt. Mitunter muss man sich das auch immer wieder mal neu fragen. 

 

Und außerdem: vernetzen! Und die Kolleg*innen suchen, die man mag und deren Rat einem wichtig ist.

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