Goldschuh, Silberschuh, Art About Shoes! - Kinder-Audioguide in progress

„Frau Bendorf? Was ist unser nächstes Thema in Audioguide?“
Als Vincent seine Frage stellt, blickt er kurz von dem Bild auf, das er gerade zeichnet (ein Monster mit sehr vielen Augen!). Tja, das wäre schön, wenn „Audioguide“ ein Schulfach wäre. Unser nächstes Thema wäre dann Comic und vielleicht würden wir dann sogenannte Soundwords (Kawumm! Boing!) vertonen… „AudioGuide“ wäre dann keine AG mehr, sondern vielleicht auch ein Unterrichtsthema im Fach „kulturelle Bildung“, nebenbei lernten die Kinder dann hier Lesekompetenz.
 
Julian übt fleißig seinen Text, 2020 © LUDWIGGALERIE, Foto: Linda Schmitz-Kleinreesink

 
Vorbereitung ist alles!, 2020 © LUDWIGGALERIE, Foto: Linda Schmitz-Kleinreesink
 
Wir haben den SchülerInnen zu Beginn eine Auswahl von Schuhgeschichten, -märchen und -gedichten hingelegt. Schnell hat sich jeder etwas herausgepickt. „Ich mach Aschenputtel mit Emma“, entscheidet Alena sofort. Dann, eine Stunde später: „Kann Emma auch Aschenputtel alleine machen? Das ist soooo schwer!“ – „Ja Alena, da hast du recht! Der Text ist auch echt lang und das Märchen ist in so alter Sprache, das ist ganz schön ungewohnt – möchtest du lieber ein Gedicht?“, bieten wir ihr an.
 
Alena hat eine angenehm kratzige und leicht raue Stimme, da passt was Witziges. „Goldschuh, Silberschuh, Lackschuh, Kackschuh. Kackschuh?!“ Das Mädchen kichert. Der „Kackschuh“ hat auch Julian hellhörig gemacht. „Was steht da noch?“. Er schnappt sich das dicke Gedichtebuch und fängt an, im Wechsel mit Vincent, daraus vorzulesen. Das Gedicht über leise und laute Fürze wird sofort zum Favoriten – passt aber leider auf Biegen und Brechen nicht zu unserem Schuh-Thema. Was aber viel wichtiger ist: völlig engagiert und mit großem Selbstverständnis sitzen hier zwei Drittklässler und lesen sich Gedichte vor. Mehrfach hintereinander und so oft, bis es gut klingt. Und immer mit dem Ergebnis: „Mach noch eins!“
 
Julian und Vincent lesen sich gegenseitig Gedichte vor, 2020 © LUDWIGGALERIE, Foto: Linda Schmitz-Kleinreesink
 
Derweil sitzen Moritz und Jonas schon im sogenannten „Moritzraum“ (der Moritzraum hat seinen Namen schon beim letzten Audioguide-Projekt erhalten, weil wir dem eher ruhigen Jungen die Möglichkeit gegeben haben, einen Raum auszusuchen, in dem er konzentriert üben kann – dass er hier seinen eigenen Raum hat, freut ihn sichtlich).
Der Kinder-Audioguide war auch schon „vor Corona“ ein Projekt, bei dem man Abstände einhalten musste, damit jeder laut Vorlesen üben kann. Dafür nutzen wir die inspirierenden und großzügigen Räumlichkeiten unserer Malschule. Zehn Kinder, fünf Räume, hohe Decken, riesige Fenster. Wer eine Pause vom Üben braucht, darf sich an Ullas gut bestücktem Materialschrank bedienen und etwas zeichnen.
 
Vincent lässt der Kreativität ihren freien Lauf, 2020 © LUDWIGGALERIE, Foto: Linda Schmitz-Kleinreesink
 
Und endlich komme ich auch mal mit den richtigen Bilderbuch-Experten ins Gespräch: „Leyla, was hast du als letztes gelesen?“ – „Latte Igel!“ – „ Ah das kenne ich, denn ich kenne den Illustrator– „Ja, das hat Daniel Napp gemacht. Steht ja auch vorne drauf. Der hat auch den kleinen Wassermann gemacht. Hab ich gesehen, als ich mit Frau Bendorf im Museum war.“ Ich bin beeindruckt von Leyla, aber auch von der Projektdichte unserer Museumspädagoginnen. Krönchen-AG, Audioguide, RuhrKunstUrban ... Ich schaue auf die Fensterbank und bewundere die hübschen Solar-LED-Gläser, in denen kleine akribisch geformte Tonfigürchen sitzen – das hätte ich, nicht nur als Kind, auch gerne gemacht! Die Gläser sind für RuhrKunstUrban entstanden. Andere Geschichte (künftiger Blogartikel), aber sie stehen eben nun mal hier in der Malschule, wo sich vieles verzahnt und gegenseitig beflügeln darf.
 
Zoe übt ihren Text vor der Aufnahme, 2020 © LUDWIGGALERIE, Foto: Linda Schmitz-Kleinreesink
 
Derweil üben Alena und Emma schwierigere Wörter. „Blondgelockter Jüngling“… „Stulle – ich sag immer Strulle… Stulle! Stulle!“. Betonung, Pausen machen, Fragezeichen = Stimme rauf – bei wem das schon alles sitzt, der darf zu Kevin vors Mikro und aufnehmen. Ich öffne vorsichtig die Tür und ernte Augenrollen, weil ich die Aufnahme gestört habe. Immer das gleiche - Sorry! Da sitzt Henriette vor dem Mikro und hat die dicken Kopfhörer auf den Ohren, während Kevin die Aufnahme steuert. Das klingt super! Ich bin beeindruckt und gehe zu Jonas und Moritz, die im besagten Moritzraum üben: Sie lesen „Der gestiefelte Kater“.
Kevin bringt Henriette zurück von der Aufnahme: „Top! Die hat das gerockt! Ganz aufrecht und konzentriert hat sie da vorm Mikro gesessen und einfach runtergelesen! Betonung inklusive!“ Jetzt darf sie sich ruhig auf dem Erfolg ausruhen. Da klopft es. „Frau Bendorf, wo warst du denn?“, „Ich hab Stutenkerle geholt. Kleine Stärkung!“ Jetzt ist Vincent sich noch sicherer: „das ist wirklich die beste AG!“
 

Emma/ Emma und Alena beim Aufnehmen ihrer Texte, 2020 © LUDWIGGALERIE, Foto: Linda Schmitz-Kleinreesink
 
Der Kinder-Audioguide für die LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen entsteht jetzt zum vierten Mal in Kooperation mit der Grundschule Luisenschule.
Das Audioguide-Team:
Ursula Bendorf-Depenbrock, Museumspädagogin an der LUDWIGGALERIE und Leiterin der Malschule unterrichtet an der Luisenschule und organisiert passende Kooperationen. Gemeinsam mit Linda Schmitz-Kleinreesink, Kuratorin an der LUDWIGGALERIE, führt sie das Projekt durch.
Kevin Casper, Medienpädagoge, setzt die technische Betreuung des Projekts und die damit verbundenen Tonaufnahmen mit den Kindern um.
 
Text und Fotos von Linda Schmitz-Kleinreesink

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Oberhausen im Ruhrgebiet – Die Geschichte einer außergewöhnlichen Ruhrstadt

10 Fragen an Satomi Edo

„Risse im Stein“ - Ein Interview mit Lisa Kleinholz